Glücksmomente I

Bobby und Gerd Brederlow

„Ich bin berühmt“, sagt Bobby Brederlow mit Blick auf seine Trophäensammlung im Regal – Bambi, Goldene Kamera, Goldener Gong – „und schön“, fügt er hinzu mit diesem verschmitzten Lächeln, dem niemand widersteht, „außerdem“, Bobbys Bruder Gerd verdreht schon die Augen, „kann ich gut singen“, aber nein, das kann Gerd Brederlow so nicht stehen lassen, „singen kannst du überhaupt nicht“, erklärt er, „wenn du singst, da halte ich mir die Ohren zu!“

Lustig geht es zwischen den beiden zu, herzlich, flapsig, liebevoll. Die zwei hängen aneinander, für sie ist Bruderliebe mehr als nur ein Wort. Bobby ist in Mackenbach in der Pfalz geboren, wann ist unwichtig, „übers Alter redet man nicht“, nur dass Gerd zehn Jahre älter ist, wird verraten, und dass der ihm, als sie noch Kinder waren, einmal einen Löffel Spülmittel in den Mund geschoben hat und er, Bobby, die Schildkröte, die er füttern sollte, einfach ins Gemüsefach gesteckt hat, doch das ist schon lang her.

Während Bobby, das Nesthäkchen, bei den Eltern in Mainz aufwuchs, zog sein Bruder Gerd nach Düsseldorf, wo er an der Fachhochschule für Design und später an der Kunstakademie beim berühmten Joseph Beuys studierte, um nach dem Examen zunächst in der Werbung und danach als Modedesigner zu arbeiten, viele Jahre davon im Ausland, vor allem in den USA.

1989, das Jahr der Wende, wurde auch für Gerd und Bobby Brederlow zum Schicksalsjahr. Nachdem ihr Vater 1987 an einem Hirnschlag gestorben war und ein Jahr später das Herz der Mutter plötzlich aufhörte zu schlagen, stand Bobby, der damals noch Rolf hieß, mit einem Mal allein da. Gerd Brederlow und sein damaliger Lebensgefährte Udo Bandel entschieden sofort, Bobby zu sich nach München zu holen. Obwohl sich auch Bobby nichts sehnlicher wünschte, als mit „Herrn Bredi und Mister Herr Bendel“ eine Männer-WG zu gründen, mussten sie erst vor Gericht ziehen, um sich das Recht auf Familienzusammenführung gegen große Widerstände zu erstreiten. 1989 entschied das Vormundschaftsgericht, dass die Homosexualität zweier Menschen nicht das Geringste über deren Fürsorglichkeit und Verantwortungsbewusstsein aussagt und Bobby bei Gerd und Udo ebenso gut aufgehoben sei wie bei seinen Eltern.

Seither leben die drei gemeinsam in einer 120 Quadratmeter-Wohnung im Münchener Stadtteil Lehel. Für Bobby ist München die Stadt schlechthin, denn hier startete er schon bald seine einzigartige Karriere. Als Modedesigner kennt Gerd Brederlow viele Leute vom Film. Schon ein Jahr nach Bobbys Umzug bot ihm einer von ihnen eine kleine Rolle an, „Weihnachtsfieber“ hieß der Film, und Bobby sprach darin einen einzigen Satz. Doch jedes Märchen beginnt mit einem Satz, der andere nach sich zieht, die sich zu einer zauberhaften Geschichte fügen. So war es auch für Rolf Brederlow, dem Regisseur Bernd Fischerauer als nächstes eine Rolle in dem TV-Vierteiler „Liebe und weitere Katastrophen“ anbot, wo er an der Seite von Senta Berger, Friedrich von Thun und Suzanne von Borsody den liebenswerten Bobby Ackermann spielte, eine Filmfigur, mit der er sich so sehr identifizierte, dass er ihren Namen annahm und als „Bobby“ in dem gleichnamigen Spielfilm 2001 sogar seine eigene Lebensgeschichte erzählen und sich in die Herzen von Millionen Fernsehzuschauern spielen durfte.

Seither ist Bobby Brederlow tatsächlich berühmt. Er hat im „Tatort“ gespielt und in Serien wie „In aller Freundschaft“, Klinikum Berlin Mitte“, „Für alle Fälle Stefanie“ und „Powderpark“. Zuletzt konnte er seine Schauspielkunst in dem Spielfilm „Tollpension“ sowie in der Rosamunde-Pilcher-Verfilmung „Sonntagskinder“ unter Beweis stellen. Nach ihm ist ein Preis der Lebenshilfe benannt, den er 1999 selbst erhielt. Bobby ist Botschafter der Aktion Mensch sowie das Gesicht der Kampagne „Du bist Deutschland“. Und der berühmteste Pate des Down-Sportlerfestivals, das er Jahr für Jahr höchstpersönlich eröffnet.

„Bobby hat viel bewegt“, blickt Gerd Brederlow zurück, „ich bin sehr stolz auf ihn.“ Sein Bruder hat der Welt vor Augen geführt, dass Menschen mit Down-Syndrom zu außerordentlichen Leistungen imstande sind. Für seine Verdienste um die gesellschaftliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ist Bobby Brederlow 2004 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden.

Paten seines Erfolgs sind und bleiben sein Bruder und dessen Mann Udo Bandel-Brederlow, die ihn auf all seinen Wegen begleiten. Gerd Brederlow sagt von sich, dass er lernen müsse, seinen kleinen Bruder loszulassen. „Ich bin der Kontrollfreak. Ich muss immer wissen, wo Bobby ist.“

Dabei kommt der zumindest in den öffentlichen Verkehrsmitteln besser zurecht als er selbst. „Ich habe mich noch nie verfahren“, sagt Bobby, „du schon.“ Jeden Morgen steigt er um viertel nach sechs in die U-Bahn und fährt zur Gärtnerei Hollern, einer Einrichtung des Heilpädagogischen Centrums Augustinum, wo er für den Service-Bereich in der Kantine zuständig ist.  In seiner Freizeit geht er am liebsten shoppen. Oder ins Theater. Oder ins Kino („Ich liebe James Bond“). Oder ins Schwimmbad und in den Zoo. Oder er liest („Harry Potter“). Am liebsten trifft er seine Freunde, zu denen Schauspielstars wie Veronica Ferres, Michaela May und Uwe Ochsenknecht zählen. „Ich liebe alles in München!“

„Mein Bruder ist ein Sonnenschein“, sagt Gerd Brederlow, „ein geradliniger, ehrlicher und absolut positiver Mensch.“ Bobby lacht und legt seine Hand auf die seines Bruders. „Stimmt, ich bin immer froh.“  Einen Wunsch hätte er aber noch. „Am liebsten würde ich nach Hogwarts ziehen“, sagt er, um von Harry Potter das Zaubern zu lernen. Und wenn sein Bruder zaubern könnte? „Dann würde ich eine Minute länger leben als Bobby“, antwortet Gerd, während Bobby die Augen verdreht.

 

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